Kurvenstiel „Drücken“ und „Legen“ richtig trainieren!

Auszug zum Thema Kurvenstiele „Drücken“ und „Legen“ aus unserer DVD Motorradsicherheitstraining, erschienen im Schröder Media Verlag.

Drücken und Legen – falsch und richtig

Die Kurventechnik Drücken ist immer dann angesagt, wenn die Kurve fast einer Spitzkehre bzw. einem Wendemanöver gleichkommt, wie man sie von Alpenpässen her kennt. Hierbei bleibt der Oberkörper des Fahrers im Verhältnis zur Straße fast lotrecht, nur die Maschine erfährt eine starke Schräglage. Die entstehenden Fliehkräfte sind hierbei minimal. Auch bei raschen und plötzlich notwendig werdenden Richtungswechseln, wie zum Beispiel bei Ausweichmanövern ist Drücken die richtige Technik.

Die Kurventechnik Legen ist richtige Wahl für lang gezogene Kurven, wie sie typischerweise auf Landstraßen vorkommen. Die Maschinenneigung ist identisch mit der Neigung des Oberkörpers des Fahrers. Nur der Kopf ist aus der Schräglage herausgenommen, um einen im Verhältnis zur Straße geraden Blickwinkel zu haben und eine verzehrte Wahrnehmung zu vermeiden.

Naturgemäß kann die Seitenführungskraft am Reifen nicht größer werden als der Kraftschluss zwischen Reifen und Fahrbahn. Und der Kraftschluss wird bestimmt vom sogenannten Reibbeiwert, der wiederum mit (mü) angegeben wird. Bei trockenem Asphalt liegt mü irgendwo zwischen 0,8 und 1,0, sodaß sich mit normalen Straßenreifen maximale Schräglagen von 45 Grad realisieren lassen. Nur auf Rennstrecken werden aufgrund entsprechender Gummi-mischungen der Reifen mü-Werte von 1,2 erreicht und somit Schräglagen bis 60 Grad möglich.

Wer aber immer auf der letzten Rille durch die Kurve bügelt, um das Gras wachsen zu hören, der wird es irgendwann hören, allerdings von unten. Wie bei allen Risikosportarten gilt es auch beim Motorrad-fahren Reserven zu schaffen. Und die letzte Rille hat nunmal keine Reserve.

Reserven zu haben und diese nutzen zu können, sind natürlich zwei paar Schuhe. Die Evolution hat uns nur für Schräglagen von von max. 20 Grad geschaffen, das reicht für`s Laufen. Das wir mal das Motorradfahren erfinden und dabei sensationelle Schräglagen von 45 oder gar 60 Grad auf Rennstrecken realisieren, war nicht vorgesehen. Hier hilft nur Training.

Bremsen in Schräglage

Die in Sicherheits-Trainings oft gestellte Frage lautet: Darf ich eigentlich in der Kurve bremsen? Ich pflege darauf zu antworten: Wenn du essen gehst, darfst du dabei auch trinken, wenn du dich allerdings dabei erschrickst, wirst du dich wahrscheinlich verschlucken. Also vermeide Schrecksituationen, indem du ständig mit Überraschungen rechnest und bei solchen souverän reagieren kannst, weil du solche und ähnliche Situationen schon tausendmal geübt hast. Also bremse, aber mache es dosiert und nicht panikartig.

Wenn du eine Rechtskurve zu schnell anfährst oder den Einlenkpunkt zu früh gewählt hast, droht das Abdriften in der Gegenverkehr, weil der Kurvenradius zu groß wird. Kommt dann tatsächlich ein Fahrzeug entgegen, wird beim ungeübten Fahrer blitzartig Panik auftreten. Die Wahrscheinlichkeit in einer solchen Situation unserem Biorechner eine brauchbare Lösung zu entlocken, geht gegen Null. Und so kollidieren viele eben frontal mit dem Gegenverkehr, weil sie die Vorderradbremse panikartig mit voller Wucht ziehen, das Motorrad sich wegen physikalischer Gesetzmäßigkeiten aufstellt und die Situation sich zuspitzt, indem der ohnehin zu große Radius jetzt noch größer wird.

Die für eine solche Situation brauchbare Lösung ist doch, die Schräglage zu vergrößern, um den Kurvenradius zu verkleinern und so einer Kollision zu entgehen. Wenn ich aber tatsächlich ohne Reserven auf der letzten Rille um die Kurve bügel, kann ich natürlich nicht mehr tiefer runter. Aber in der alltäglichen Straßenrealität ist, gerade bei ungeübteren Fahrern, eher das Gegenteil der Fall. Man könnte noch tiefer runter, traut sich aber nicht, weil man fälschlicherweise der Meinung ist, schon im physikalischen Grenzbereich zu sein. Hier hilft nur durch Training sich realistische Grenzbereiche im wahrsten Sinne des Wortes zu er-fahren.

Grundsätzlich sollten sie sich aber merken: Um die Kurve enger zu fahren, drücke ich an dem Lenkerende, der im Kurveninneren liegt. Um die Kurve größer zu fahren, drücke ich an dem Lenkerende, der zum Kurvenäußeren liegt. Ich verändere also die Kurvenradien durch die Lenkimpulstechnik.

Autor: Guido Karrasch

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